Grafschafter Schulgeschichte

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Portheine

Biographien Grafschafter Lehrerinnen und Lehrer

Tönnis Portheine

12. Januar 1893 - 12. Juni 1965

Als der Schulrat Tönnis Portheine am 31. Januar 1958 aus seinem Dienst verabschiedet wurde, geschah das unter anderem mit den folgenden Worten: „Sie, Herr Schulrat, haben Ihren Dienst opferwillig getan. Sie konnten ihn in dieser Weise tun, weil ethische und religiöse Bindungen Ihnen Kraft gaben. Aus dieser Haltung konnten Sie auch Ernst machen mit der Achtung vor dem Menschen und der Anerkennung aller Schularten. Dass es hier im Kreise Grafschaft Bentheim so war und so sein konnte, dafür dürfen wir Ihnen dankbar sein! Dass es in Zukunft so sein möge, zum Segen unserer Heimat und unserer Jugend, das walte Gott!“ Diese Worte, die der damalige Rektor der Mittelschule Neuenhaus, Jan Harm Kip, als Vertreter der Mittelschulen des Kreises Grafschaft Bentheim sprach, sagen viel aus über den leidenschaftlichen Pädagogen und Lehrer Tönnis Portheine.

Familiendaten

Tönnis Portheine wurde am 12. Januar 1893 in Nordhorn geboren und am 29. Januar 1893 in der Ev.- reformierten Kirche getauft. Seine Eltern waren der „Krämer“ Hermann Portheine und seine Ehefrau Hinderikje Portheine geborene Borrink. Tönnis Portheines Vorfahren väterlicherseits waren als Vechteschiffer nach Nordhorn gekommen und hier seßhaft geworden. Der Großvater, Teunis Portheine, war zunächst noch Vechte-Schiffer gewesen, hatte dann aber in Nordhorn ein Kolonialwarengeschäft gegründet. Die Vechteschiffahrt war durch Versandung des Flusses zum Erliegen gekommen. Die Vorfahren mütterlicherseits kamen aus der zum Kirchspiel Nordhorn gehörenden Bauerschaft Bookholt. Sie besaßen hier einen großen Bauernhof im Range eines Vollerbes. Tönnis Portheine heiratete im Jahre 1922 Janna Schüürmann aus Itterbeck. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, der Sohn Hermann und die Tochter Hanna.

Schulische Entwicklung und Studium

Zusammen mit vier älteren Geschwistern verbrachte Tönnis Portheine seine Jugend in Nordhorn. Das elterliche Geschäft befand sich zwischen den beiden Vechtebrücken an der damaligen Hinterstraße, dem heutigen Schumachershagen. Er besuchte die 1864 erbaute Reformierte Volksschule an der Lingener Straße, die später auch Lindenschule genannt wurde, und wahrscheinlich auch die 1892 erbaute Volksschule auf dem vorderen Gildkamp. Nach vierjähriger Volksschulzeit wechselte der Schüler zur „Rektorschule“, die sich zunächst noch im Untergeschoß des 1913 abgebrannten Nordhorner Rathauses befand. Aus dieser Rektorschule entwickelte sich später die Mittelschule. Als die beiden Schulräume im Rathaus nicht mehr ausreichten, errichtete die Stadt Nordhorn auf dem Gelände der Nordhorner Bleiche ein neues Gebäude für die Rektorschule. An der der Stadt zugewandten Seite war bis zum Abbruch des Hauses in den siebziger Jahren in der Klinkerwand ein großer Stein mit der Aufschrift „Rektorschule – erbaut 1908“ eingemauert. Als Sechzehnjähriger verließ Tönnis Portheine seine Heimatstadt und besuchte von „Michaelis 1910 bis Michaelis 1913“ die Präparandenanstalt in Osnabrück. Zu dieser Zeit gab es in Nordhorn noch kein Gymnasium. Danach folgte der Besuch des Evangelischen Schullehrer Seminars zu Osnabrück. Das Abschlußexamen bestand der spätere Schulrat mit Auszeichnung.

Tätigkeit als Lehrer in Schüttorf und Alte Piccardie

Nach dem abgeschlossenen Studium in Osnabrück trat Tönnis Portheine seine erste Lehrerstelle im Jahre 1913 in Schüttorf an; hier blieb er bis zum Jahre 1915. Von Schüttorf aus wurde er zum Militärdienst einberufen und nahm als Leutnant der Reserve am 1. Weltkrieg teil. Hochdekoriert kehrte er zurück. Nach Beendigung des Krieges nahm er dann im Jahre 1919 in der einklassigen Volksschule in Alte Piccardie seinen Lehrerdienst wieder auf. Das Unterrichten in einer einklassigen Schule stellte hohe Ansprüche an einen Lehrer. Heute weiß kaum noch ein Pädagoge, welcher didaktischer Fähigkeiten es bedurfte, gleichsam synchron die 6- 14 jährigen Kinder in einem einzigen Raum klassengerecht zu unterrichten. Die Anzahl der Schüler betrug zu dieser Zeit zwischen 50 und 70 Schüler. Da diese aber nicht alle zeitgleich unterrichtet wurden, kann man davon ausgehen, dass jeweils die Hälfte, das heißt 25 bis 35 Schüler aus vier Jahrgängen gleichzeitig in einem Raum jahrgangsentsprechend zu unterrichten waren.

Hier in der Alten Piccardie begann Tönnis Portheine sich den Traum seiner Jugend zu erfüllen. Er hatte eigentlich Gärtner werden wollen. In der Alten Piccardie legte er seinen ersten Schulgarten an. Jeder Schüler hatte ein Bäumchen zu pflanzen, das er bei der Schulentlassung mit nach Hause nehmen durfte. Hier in der Alten Piccardie ist bei dem Schulmeister auch schon eine Hinwendung zu den Naturwissenschaften zu erkennen. Sie sollte neben der Theologie den begabten Lehrer zeitlebens nicht verlassen. Das biologische Geschehen mit dem Werden, Wachsen und Vergehen, faszinierte ihn. Aus seinen späteren Werken geht dann auch hervor, wie er die Naturwissenschaft und die Theologie zusammenbrachte.

Bis 1928 blieb die Familie Portheine in Alte Piccardie. Allein wegen der schlechten Wasserqualität und der zum Teil mühsamen Wasserversorgung, verließ sie die liebgewonnene Stätte. Das aus der Erde gepumpte Wasser war braun und sowohl zum Waschen als auch zum Genießen unbrauchbar. Besseres Wasser mußte in Eimern weit vom Nachbarn geholt werden.

Hausbau und Gartenanlage in Nordhorn

Ab 1928 war Tönnis Portheine Lehrer an der Altendorfer Schule. Damals war Altendorf noch eine selbständige Gemeinde. Doch schon am 9. Januar 1929 waren die Vorbedingungen für eine Eingemeindung nach Nordhorn erfüllt. Damit war Altendorf nunmehr ein Teil von Nordhorn geworden. Das ursprüngliche Nordhorn, das später den Namen Altendorf erhielt, wurde mit dem vermutlich im 13. und 14. Jahrhundert künstlich zwischen Vechtearmen geschaffenen Insel-Nordhorn wieder vereint. In Rektor Specht, dem Leiter der Altendorfer Schule, fand Tönnis Portheine trotz oft unterschiedlicher Ansichten einen ihm wohlgesonnenen Vorgesetzten. In dieser Zeit kaufte das Ehepaar Portheine im Altendorfer Bereich am Ems-Vechte-Kanal ein Grundstück, und man begann mit dem Bau eines Hauses. Für den Grundstückskauf und den Hausbau lieh das Ehepaar sich das nötige Kapital in der Verwandtschaft; natürlich wurde auch Erspartes mit eingesetzt.

Das Grundstück war etwa einen Morgen groß, groß genug um auf diesen 2.500 qm einen nicht gerade kleinen Garten anzulegen. Die Fläche wurde zunächst in Nutz- und Ziergarten unterteilt. Der Nutzgarten mit Obstbäumen, Gemüsegarten und Kartoffelacker nahm den größeren Teil ein. Ein wohldurchdachtes Bewässerungssystem unter Ausnutzung des Regenwassers diente der Feuchthaltung der Beete und Anlagen. Für Ziergärten waren damals die Rosenbögen, die als Tor und Durchlass zu den einzeln abgegrenzten Gartenteilen dienten, sehr wichtig. Sie ersetzten die früher viele Gärten erschließenden Sandsteintore. Zum Ziergarten gehörte natürlich auch ein Rasen, doch noch wichtiger waren ein Steingarten, die Blumenrabatten und auch der Staudengarten. Der Hobbygärtner Portheine hatte sich hier ein Feld der körperlichen Ertüchtigung geschaffen. Es diente ihm als Ausgleich zu seiner geistigen schulischen Tätigkeit. In dieser Umgebung wuchsen auch Sohn und Tochter auf.

Der Schulgarten in Altendorf

Gleich zu Anfang seiner Tätigkeit in Nordhorn-Altendorf beschäftigte sich Tönnis Portheine mit der Anlage eines Schulgartens für die Altendorfer Schule. Dazu wurde 1929 vom Schulverband ein Grundstück von der Ev.- ref. Kirchengemeinde gepachtet. Es lag jenseits des Ems-Vechte-Kanals zwischen dem Kanal und dem späteren Nordhorner Wasserwerk der Schule gegenüber auf dem Lehmkamp. Der Altendorfer Schulgarten war damit nach den Schulgärten in Schüttorf und Alte Piccardie der dritte Schulgarten in der Grafschaft Bentheim.

Die Ideen zur Errichtung von Schulgärten gab es schon im 19. Jahrhundert. Hier sollte eine Verbindung zwischen dem theoretischem Wissen der Schüler und der praktischem Arbeit in einer Gartenanlage geschaffen werden. In Österreich hatte man schon im 19. Jahrhundert begonnen, Schulgärten anzulegen. Es folgte dann der süddeutsche Raum mit der Errichtung von Schulgärten. 1924 erbat der preußische Unterrichtsminister für den naturwissenschaftlichen Unterricht einen ausführlichen Bericht von sämtlichen Volks- und höheren Schulen über Größe und Einrichtung eines vorhandenen Schulgartens. Damals hatte Preußen insgesamt 1095 Schulgärten und in der Provinz Hannover gab es davon nur 75, in unserer Grafschaft nur zwei. Zunächst hatte man dabei an die Zucht und Veredlung von Obstbäumen gedacht, erst später kamen die anderen Nutz- und Ziergewächse hinzu. Nach 1933 widmete man sich dann stärker dem Gedanken der Anlage von Schulgärten. Es erging eine Regierungsverfügung, dass bis zum 01.04.1935 jede Schule über einen Schulgarten verfügen mußte. Unter der Devise von „Blut und Boden“ war das nicht verwunderlich.

Doch schon der früheren Anlage des Altendorfer Schulgartens lag noch ein anderer Gedanke zu Grunde: Das Anwachsen der Nordhorner Textilindustrie erforderte den Bau von Wohnungen und Häusern für die in Nordhorn sich ansiedelnden Angestellten und Arbeiter der Nordhorner Textilbetriebe. Das Ödlandgebiet aus der Frensdorfer Mark zwischen dem Ootmarsumer Weg und dem Schoapediek, der heutigen Denekamper Straße, war dafür vorgesehen. Die Straßen bekamen die Namen heimischer Blumen. Parallel zu den beiden Ausfallstraßen Ootmarsumer Weg und Denekamper Straße wurde dazwischen die Lindenallee angelegt. So entstand auf reinem Ödlandgebiet mit Flugsand und sauren Gräsern die damalige Blumensiedlung. Hier ging es nun darum, die Ödlandböden in fruchtbares Ackerland zu verwandeln. Dieser Umstand trug dazu bei, Schulgärten als Anschauungsobjekte anzulegen. Es war in einer Zeit, als man sich erst zögernd mit dem Gedanken der Errichtung von Schulgärten befaßte.

Tönnis Portheine hatte sich schon früher mit diesen Ideen befasst, und so entstand in kurzer Zeit, vier Jahre vor Beginn des Dritten Reiches, der erste Schulgarten in Nordhorn. Er wurde sehr schnell das Ziel Nordhorner Spaziergänger, die die verschiedenen Anlagen mit den blühenden und grünenden Gewächse in diesem Garten bewunderten. Besonders die mit Kletterrosen bewachsenen eisernen Torbögen wurden ein beliebtes Ziel zum Fotografieren. In manchen Familien werden noch Fotos mit Personen unter dem Rosenbogen aufbewahrt. Tönnis Portheine verstand es, seine Begeisterung für Natur und Garten durch seine pädagogischen Fähigkeiten auf die Schüler zu übertragen. Sie pflegten und betreuten den Schulgarten mit Liebe und Hingabe Der Name Tönnis Portheine war fest mit dem Schulgartengedanken verbunden. Eine ausführliche Darstellung des Altendorfer Schulgartens ist im Jahrbuch des Heimatvereins 1937 veröffentlicht worden. Im Heimatkalender 1938 erfolgte eine weitere Veröffentlichung zu dem Thema: „Die Erdbeere im Grafschafter Hausgarten.“ In dieser Abhandlung befasste sich der Pädagoge ausführlich mit der Herkunft der Pflanzen, der Sortenwahl, der erforderlichen Bodenbeschaffenheit, der Verbesserung der hiesigen, kargen Sandböden, der Düngung und der erforderlichen Gartenpflege. Mitte der dreißiger Jahre erschien im Trowitsch-Verlag das erstes Buch von Tönnis Portheine „Deutscher Schulgarten, seine praktische Gestaltung“.

Ablegung der Prüfung zum Mittelschullehrer

Nebenbei bereitete sich Tönnis Portheine in dieser Zeit in aller Stille auf die Mittelschullehrerprüfung vor. Einer seiner Nachfolger im Amt des Schulrates berichtete später davon. Er sagte anlässlich der Verabschiedung von Tönnis Portheine: „Es sind nun fast 25 Jahre her, dass Sie in einem grossen Kollegium an der Altendorfers Schule tätig waren, und als junger Anfänger durfte ich die verschiedensten Eindrücke des schulischen Lebens in mir aufnehmen. Ich erinnere mich noch genau an das Rätselraten, als Sie für eine Woche aus uns nicht bekannten Gründen „verreist“ waren. Keiner wusste so recht, wohin und weswegen. Das war im Sommer des Jahres 1933. Sie hatten damals die letzte Möglichkeit zur Ablegung der Mittelschullehrerprüfung genutzt und kamen nun als glücklicher Mittelschullehrer aus Hannover zurück.“ Für diese Prüfung hatte Tönnis Portheine keinen einzigen weiterführenden Lehrgang besucht. Seine Vorbereitungen geschahen nur autodidaktisch und ohne fremde Hilfe. Er bestand die Prüfung in Hannover mit Erfolg. Seine schriftliche Examensarbeit ist noch erhalten. Das Thema lautet: „Luthers Stellungnahme zum Bauernkriege 1525 ist darzustellen und zu würdigen.“ Wie intensiv Tönnis Portheine sich mit diesem Thema beschäftigte, zeigt allein die auf 4 DIN A 4 Seiten festgehaltene Auflistung der Quellen und der benutzten Literatur. Das Thema ist auch heute noch aktuell. Es lohnt sich die Abhandlung zu lesen und den klaren und logischen Gedankengängen zu folgen. Wie schon gesagt, er bereitete sich in aller Stille darauf vor, ohne den gleichzeitig durchzuführenden Unterricht an der Schule und auch seinen großen Hausgarten dabei zu vernachlässigen. Kann man es sich vorstellen, ob auch heute noch so etwas trotz allgemein geringerer Dienstzeit noch möglich ist?

Lehrer im Dritten Reich

Das Dritte Reich, der Nationalsozialismus, förderte die Schulgartenprojekte. Doch Tönnis Portheine war in der deutsch-nationalen Richtung beheimatet und das Nationalsozialistische war ihm suspekt. Aus diesem Grunde lehnte Tönnis Portheine aus Gewissensgründen auch die Berufung auf eine Dozentenstelle an eine staatlichen Lehrerbildungsanstalt ab. Solch eine Position wäre mit einer bedingungslosen Bejahung der Nationalsozialistischen Ideologie verbunden gewesen. Trotz dieser Verweigerung wurde er 1939 an die Mittelschule in Nordhorn versetzt. In seiner Personalakte vermerkte man seinerzeit: „Dem Lehrer Portheine muss an der Mittelschule in Nordhorn eine Mittelschullehrerstelle übertragen werden, da er sonst abzuwandern droht.“ Ob das wirklich die Absicht des Lehrers war, oder ob damals andere Kräfte versuchten, ihn in diese Stelle an der Mittelschule hineinzubekommen, wird wohl ein Rätsel bleiben. Portheines Hauptunterrichtsfächer waren an der Mittelschule Religion, Geschichte und Deutsch. Während des 2. Weltkrieges unterrichtete er nicht nur an der Mittelschule mit der vollen Stundenzahl, sondern war gleichzeitig noch Lehrer an den Berufsschulen in Nordhorn und Neuenhaus in kaufmännischen, gewerblichen und landwirtschaftlichen Klassen.

Tönnis Portheine gehörte zu den wenigen Lehrerinnen und Lehrern in der Grafschaft Bentheim, die sich der NSDAP, der nationalsozialistischen Partei und ihren Organisationen standhaft und dauerhaft verweigerten. Mir sind aus dem Nordhorner Bereich zur Zeit nur wenige Lehrer bekannt, die nicht der Partei angehörten. Es müssen aber noch mehr Lehrer gewesen sein, denn am 21. März 1940 wurden durch den damaligen Schulrat Schweer die Lehrer, die nicht der Partei angehörten, angeschrieben und aufgefordert, der Partei beizutreten. In diesem als „Vertraulich“ bezeichnetem Schreiben heißt es: Von den Erziehern und Erzieherinnen des Kreises ist eine Anzahl noch nicht in der Partei. Da augenblicklich die Möglichkeit besteht, in die Partei aufgenommen zu werden, ersuche ich alle Erzieher und Erzieherinnen, die der Partei noch nicht angehören, durch Erwerben der Mitgliedschaft sich zum staatstragenden Nat.-Sozialismus zu bekennen. Natürlich ist der Beitritt freiwillig. Ich muss aber erwarten, dass möglichst alle von der gebotenen Möglichkeit, der Partei beizutreten, Gebrauch machen. Gerade der Erzieherstand darf nicht zurückstehen. Bis zum 1. April 1940 ersuche ich um Meldung, ob Sie sich beim Stützpunkt- oder Ortsgruppenleiter zur Aufnahme angemeldet haben. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer diesem „freiwilligen“ Beitritt nicht gefolgt sind, konnte ich leider bis jetzt noch nicht in Erfahrung bringen.

In dieser Zeit bat die Reformierte Kirche Nordhorn den beliebten und fähigen Lehrer, den Jugendlichen Konfirmandenunterricht zu erteilen. Er kam dieser Bitte gerne nach. In der Familie Portheine befindet sich noch heute der von dem bekannten Theologen Kohlbrügge im Jahre 1905 herausgegebene und mit einem umfangreichen Kommentar von ihm versehenen Heidelberger Katechismus, den Portheine für den Unterricht benutzte. In diesem Exemplar sind Blätter zusätzlich eingeklebt auf denen minutiös stichwortartig der für jede Katechismusstunde festgelegte Unterrichtsplan eingetragen ist.

Eine weitere Begebenheit aus den Kriegsjahren möchte ich hier noch erwähnen. Sie ist ein Beispiel für die unbeirrbare Voraussicht von Tönnis Portheine, mit der er Anfang 1941 die militärische und politische Lage des Hitler-Reiches beurteilte. Als der Sohn Hermann das Abitur bestanden hatte, war als nächstes der weitere Werdegang des Sohnes zu überlegen. Der Vater rief den Sohn zu sich in sein Arbeitszimmer und bat den Sohn, auf dem Sofa Platz zu nehmen. Er eröffnete dem Sohn seine Befürchtungen, dass der nächste Schritt nun wohl die Musterung und dann die Einberufung zum Militärdienst sein würde. Der Vater sagte: „Und du hast die größten Chancen, nicht zurückzukommen.“ Dabei zeigte der Vater auf den Sowjetbereich des im Arbeitszimmer stehenden Globus und meinte, die Wahrscheinlichkeit, aus diesem Krieg lebend zurückzukommen, sei gering. Schon einmal sei ein größenwahnsinniger Herrscher hier gescheitert, und auch wir würden diesen Krieg nicht gewinnen. Es gäbe aber eine Möglichkeit mit einer gewissen Chance des Überlebens. Der Vater riet dem Sohn, ein Studium bei der Militärärztlichen Akademie in Berlin aufzunehmen. Dieses Studium sei zwar mit einem halbjährigen Frontbewährungseinsatz verbunden, doch dieses Risiko wäre das geringste in diesem mörderischen Krieg, und Ärzte würden in einem Krieg immer gebraucht. Zunächst war der Sohn entsetzt, er sah das Deutsche Reich damals noch auf der Gewinnerseite. Der Sohn hatte sich sein zukünftiges Berufsleben als ein dem Humanismus verpflichteter Philologe in Verbindung mit seiner großen Liebe zur Physik vorgestellt. Doch der Sohn folgte dem Rat des Vaters und überlebte.

Gegen Ende des Krieges wurde ein geregelter Schulunterricht immer schwieriger. Nordhorn lag in der Einflugsschneise der in England gestarteten und in Richtung West- und Mitteldeutschland eingesetzten Flugzeuge. Die Anzahl der überfliegenden Kampfverbände nahm zu. Im deutschen Rundfunk hieß es dann, Kampfverbände im Anflug auf der Linie Zwolle - Nordhorn. Kurz nach dieser Radioansage ertönten die Sirenen und signalisierten durch einen lang anhaltenden Heulton zunächst den „Voralarm“. Kurze Zeit später meldeten dann die Sirenen in einem schnellen Auf und Ab des Heultones das Signal „Fliegeralarm“. Dann hatte man auf schnellstem Wege einen bombensicheren Keller oder einen Bunker aufzusuchen. Es gab Tage an denen man den Bunker nicht oder nur kurz verlassen konnte. Unter solchen Umständen war kein Schulunterricht mehr möglich und so schlossen am 14. November 1944 die Schulen ihre Pforten. Die Grafschaft Bentheim blieb zwar von größeren gezielten Bombenangriffen verschont, doch das konnte man in der damaligen Situation nicht im voraus ahnen und wissen. Es gab aber auch Opfer durch den Beschuss von Tieffliegern. Davon waren besonders die Insassen der fahrenden Züge der Bentheimer Eisenbahn betroffen. Das gleiche galt für Menschen, die auf Landstraßen unterwegs waren. Weitere Kriegsopfer waren zu beklagen, wenn Flugzeuge auf dem Rückflug nach England zur Gewichtserleichterung Bomben abwarfen.

Nach der Schließung der Schulen wurden die Schulgebäude anderen Bestimmungen zugeführt. Die Klassenräume wurden zu Lazaretten umfunktioniert und auch für die Unterbringung von Flüchtlingen und Vertriebenen genutzt. Auf dem Dach der Ernst-Moritz-Arndt-Schule malte man auf die Dachziegel einen riesiges „Rotes Kreuz“ in einem weißen Umfeld. Damit war dieses Gebäude für Angriffe aus der Luft als ein entsprechend der Genfer Konvention vom 27.07.1929 zu schützendes Gebäude zu erkennen.

Nach der Schließung der Schulen ordnete man die Lehrer verschiedenen Verwaltungsbereichen zu und beauftragte sie mit unterschiedlichen Tätigkeiten. Dazu gehörte damals die Erfassung der Viehbestände in den bäuerlichen und bürgerlichen Anwesen. Da kein Stück Großvieh ohne behördliche Genehmigung geschlachtet werden durfte, waren des öfteren Viehzählungen zur Kontrolle des Bestandes erforderlich. Selbst im März 1945 wurde noch eine Schweine- und Hühnerzählung angeordnet. Auch zu so genannten Brandwachen und anderen Meldediensten wurden Lehrer herangezogen. Für solche Zwecke war eigens auf dem Kirchturm der Alten Kirche am Markt in der offenen Laterne ein hölzernes Wachhaus errichtet. worden. Von hier aus musste auch Tönnis Portheine nachts im Winter 1944/1945 die Gegend beobachten und jede Veränderung melden. Dazu gehörte auch die hörbare Wahrnehmung von Flugzeugkampfverbänden.

Schon während des Krieges soll es auch in der Grafschaft Bentheim eine so genannte „Schwarze Liste“ mit den Namen regierungskritischer und –feindlicher Personen gegeben haben. Die darin aufgeführten Personen sollten im Falle eines feindlichen Einmarsches zu liquidieren sein. Auf solch einer Liste sei auch der Name Tönnis Portheine enthalten gewesen. Diese Absicht ist vor dem Einmarsch der Alliierten nicht realisiert worden. Wenn solch eine Liste bestanden hat, ist sie vermutlich vor der beabsichtigten Ausführung vernichtet worden.

Die Situation nach dem Einmarsch der Alliierten

Nach dem Einmarsch der Alliierten am 1. April 1945 übernahm die Militärregierung die Verwaltung. Nach der bedingungslosen Kapitulation waren Themen wie Energie- und Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, Unterbringung der Vertriebenen und Sicherstellung von Ruhe und Ordnung das Wichtigste. Am 18. April 1945 wurde Dr. Rudolf Beckmann, Geschäftsführer der Firma B. Rawe & Co, von dem Kommandanten der Militärregierung als Landrat des Kreises Grafschaft Bentheim und als Bürgermeister der Stadt Nordhorn eingesetzt. Zwei Tage hatte er sich geweigert und seinerseits Bedenken geäußert. Als dann aber auch die Kreisverwaltung von Bentheim nach Nordhorn verlegt wurde, nahm er am 20. April 1945 die Arbeit auf. Zunächst unterstützte ihn noch in Nordhorn sein Vorgänger im Amt, der nunmehr ehemalige Bürgermeister Gerhardt. Als dann der Nordhorner Rechtsanwalt Dr. Paul Drewer aus dem Krieg zurückkehrte, übernahm dieser in Nordhorn das Bürgermeisteramt unter dem Regiment der Besatzungsmacht. Teile der Stadtverwaltung funktionierten noch und schon sehr früh wurden unbelastete Personen mit Verwaltungsarbeiten betraut und auch zum Ordnungsdienst eingesetzt. So wurde auch Tönnis Portheine als Hilfspolizist in der damaligen Polizeidienstselle im Gebäude des alten, inzwischen abgebrochenen, Frensdorfer Rathaus an der Ecke Stadtring/Denekamper Straße eingesetzt. Diese Funktion hatte dann wohl zur Folge, dass an seinem Haus am Ems-Vechte-Kanal ein Schild mit der Aufschrift „out of bounds“ angebracht wurde, das Haus durfte also nicht für Einquartierungen beschlagnahmt werden.

Einsetzung als Schulrat

Im Juni 1945 wurde schon davon geredet, dass Tönnis Portheine von der Militärregierung als neuer Schulrat eingesetzt werden solle. In einem Dokument vom 4. Juli 1945 sind der Name Tönnis Portheine für die Grafschaft Bentheim und Franz Heinrich Brinkmann für den Kreis Meppen als neu einzusetzende Schulräte aufgeführt. Das entsprechende Formular ist zum größten Teil in englischer Sprache verfasst. Damit sind Portheine und Brinkmann die ersten beiden Schulräte im Regierungsbezirk Osnabrück, die nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches als neue Schulräte eingesetzt wurden, weitere folgten später. Aus einem weiteren Dokument geht noch hervor, dass die Einsetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit rückwirkend zum 1. Juli 1945 geschah.

Doch welche Situation fand der neu ernannte Schulrat Tönnis Portheine vor? Nach dem verlorenen Krieg und der damit verbundenen Beendigung der Nationalsozialistischen Diktatur waren auch alle Verwaltungsstrukturen zerschlagen worden, oder sie hatten sich aufgelöst. Deutschland war von vier Besatzungsmächten besetzt und unterstand einer Militärregierung. Die Grafschaft Bentheim gehörte zur britischen Besatzungszone. Die britische Kommandantur für den Kreis Grafschaft Bentheim befand sich in der Villa der Familie Niehues an der Bentheimer Straße, dem weißen Haus. Das Haus war beschlagnahmt worden und die Familie hatte das Haus verlassen müssen.

Ein Vorteil war, dass alle Schulgebäude in Nordhorn und im übrigen Kreis den Krieg fast unversehrt überstanden hatten; sie wurden aber zweckentfremdet genutzt. Alle nationalsozialistischen Symbole waren verboten und mussten vernichtet werden. Mit den Symbolen gleichgesetzt war die gesamte nationalsozialistische Literatur, und damit durften auch alle Schulbücher nicht mehr benutzt werden. Selbst Rechenbücher aus dieser Zeit, die ja in Textaufgaben und Textanmerkungen irgendwelche Bezüge zum Nationalsozialismus herstellen konnten, waren nicht mehr für den Schulunterricht zu nutzen. Mit einem Mal waren wieder Schulbücher aus der Kaiserzeit und aus der Weimarer Republik gefragt, und man behalf sich zunächst damit. Das Misstrauen der Militärregierung den Lehrern gegenüber war groß. Waren es nicht die jungen Studenten, und gerade die Lehrer und manche Pastoren gewesen, die schon vor 1933 und erst recht nach der Machtergreifung im Jahre 1933 dem Nationalsozialismus so positiv zugetan waren? Viele Lehrer waren im Krieg gefallen, andere waren noch nicht aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Der Vorgang der Entnazifizierung begann dann auch erst im Jahre 1946. Die Schülerzahl war stark angestiegen, denn zu den aus den Ostgebieten Deutschlands vertriebenen Menschen gehörten in erster Linie Kinder, die einzeln oder mit ihren Müttern kamen. Diese vertriebenen Kinder erhöhte die Zahl der in der Grafschaft vorhandenen Schüler. Für alle diese Kinder mußten die Voraussetzungen für einen ordentlichen Schulunterricht geschaffen werden. Es waren also mehr Kinder bei einer geringeren Zahl von Lehrern zu unterrichten.

Zunächst galt es Lehrmaterialien zu beschaffen. Tönnis Portheine begann damit, neue Schulbücher zu entwerfen und zu schreiben. Er suchte mit Unterstützung einiger ihm bekannter Lehrer, die „ihre Knie nicht vor Baal gebeugt hatten“, wie er es nannte, dieses Problem zu lösen. Dazu gehörten u. a. damals die Lehrer Schmidt aus Hesepe, Frau Twenhäfel von der Mittelschule Nordhorn und Schleutker von der Ernst-Moritz-Arndt-Schule. Es wurden Lese-, Rechen-, Sprach- und Religionsbücher sowie ein Heimatatlas zusammengestellt. Ich selbst hatte noch ein Rechenbuch, das damals von Frau Twenhäfel erarbeitet worden war. Die Buchdruckerei Pötters in Nordhorn erklärte sich bereit, die Bücher zu drucken und zu heften. Doch das Problem war die Papierbeschaffung. Man lebte in einer Zeit der Mangelverwaltung und war zu einer Form der Naturalwirtschaft mit einem regen Tauschhandel zurückgekehrt. Eines Tages kam vor dem Hause des Schulrates am Ems-Vechte-Kanal ein Lastwagen, oder das was man damals zu einen Lastwagen zusammengebaut hatte, vorgefahren und hatte einige Rollen Zeitungspapier geladen. Der damaligen Altwarenhändler Bahlo hatte das Papier vermutlich im Tauschhandel auf dem Schwarzen Markt beschafft. Hatte der neu ernannte Schulrat als Mann der Tat seine Hände im Spiel gehabt? Wir wissen es nicht, und damals hat keiner danach gefragt. Das Papier wurde zur Buchdruckerei Pötters weitergeleitet, und die Bücher konnten gedruckt werden!

Dann galt es geeignete Lehrer für den Schuldienst zu finden. Der Schulbetrieb sollte am 30. August 1945 wieder beginnen. Der größte Teil der Lehrer war Mitglied in der NSDAP, der Nationalsozialistischen-Deutschen-Arbeiter Partei, gewesen. Etliche davon gehörten zu den Hundertfünfzigprozentigen und hatten sich anderen Menschen gegenüber etwas zu Schulden kommen lassen, andere waren es aus Überzeugung, hatten sich aber von Denunziationen ferngehalten, manche Lehrer trugen das Parteiabzeichen weniger aus Überzeugung, sondern waren als ängstliche Mitläufer oder auch aus familiären und wirtschaftlichen Gründen der Partei beigetreten. Es gab auch welche, die das Parteiabzeichen an der unteren Seite des Jackenrevers getragen hatten. Man darf bei der Beurteilung nicht vergessen, dass die nationalsozialistische Diktatur ein totaler Überwachungsstaat war. Es gab keine unabhängige Justiz, auch gab es keine Pressefreiheit. Die Partei hatte immer das Recht auf ihrer Seite, Denunzianten waren auch immer gern gesehen. Wir kennen Vergleichbares aus dem SED-Staat DDR.

In den Monaten Juli und August 1945 musste also entschieden werden, welche Lehrer am 30. August 1945 wieder in den Schuldienst aufgenommen werden sollten. Die letzte Entscheidung lag bei der Militärregierung. Doch der neue Schulrat wurde zur Beurteilung der Einzustellenden hinzugezogen. In der Grafschaft Bentheim waren etwa 200 Lehrerstellen zu besetzen. Alle Lehrer, die der Partei nicht angehört hatten, blieben in ihren Positionen oder übernahmen auch Schulleiterstellen. Auf Lehrer, die aber schon während des Dritten Reiches besonders negativ in Erscheinung getreten waren, musste verzichtet werden. Doch es gab auch viele, wie schon erwähnt, die der Partei als Mitläufer angehörten und sich angepasst hatten. In diesen Fällen, gab Tönnis Portheine dann ein positives Urteil ab und begründete die Umstände, die zu einem Parteieintritt geführt hatten.

Dies brachte dem neu ernannten Schulrat manche Unannehmlichkeiten ein. Besonders taten sich dabei einige Personen hervor, die sich zwar selbst dem Nationalsozialismus verweigert hatten, doch sich jetzt um so unversöhnlicher empörten, wenn ehemalige Mitläufer wieder in den Dienst berufen wurden. Dem neuen Schulrat wurden sogar unterstellt, dass er ein verkappter Nationalsozialist gewesen sei. Dieser Vorwurf traf ihn schwer. Tönnis Portheine war nicht der triumphierende Mann der Vergeltung, sondern der Mann der Versöhnung. Doch wie so oft in der Geschichte, waren hier aus ehemals Verfolgte nun Verfolger geworden und handelten umso unversöhnlicher.

Aus einem Schreiben des Schulrates vom 4. August 1945 geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Stellen besetzt waren und auch nicht bis zum 30. August besetzt werden konnten. Er vermerkte, dass der Rektor Arends demnächst als Rektor der Mittelschule eingesetzt werden solle. Diese Stelle war wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit des Vorgängers neu zu besetzten. An der Burgschule sollte die Leiterstelle zunächst noch unbesetzt bleiben, da der dafür vorgesehene Rektor – es war vermutlich Barlage - aus der Kriegsgefangenschaft noch nicht zurückgekehrt sei. Bis dahin solle diese Stelle vom Konrektor Hilbink verwaltet werden. Portheine legte dabei auch Wert darauf, dass diese in unmittelbarer Nähe zur katholischen Kirche liegende Schule auch mit einem katholischen Rektor zu besetzen sei. Dazu ist zu bemerken, dass zu diesem Zeitpunkt noch die Gemeinschaftsschule galt. Gespräche über die Einrichtung von Konfessionsschulen liefen aber schon. Am 30. August 1945 begann dann nach einem Dreivierteljahr schullose Zeit auch wieder der normale Schulbetrieb.

Der Vorgang der Entnazifizierung begann zwar schon im Jahre 1945, er wurde aber erst in den folgenden Jahren abgeschlossen. Deshalb waren alle Beschäftigungen vor Abschluss des einzelnen Entnazifizierungsprozesses vorläufige Einstellungen. Die Bestätigung der endgültigen Einstellung erfolgte in jedem Einzelfall erst später nach dem Abschluss des Entnazifizierungsprozesses.

Weitere Aktivitäten des Schulrates

In der Kirchenratssitzung vom 24. Juni 1946 wurde der Schulrat Tönnis Portheine zum Abgeordneten für den Bezirkskirchentag der Ev.- ref. Kirche vorgeschlagen und von der Gemeindevertretung gewählt. Später war er auch Mitglied des Landeskirchenrates. Im November 1946 erschien der 1. Teil des Schulbuches für die evangelischen Volksschulen des Kreises Grafschaft Bentheim „Biblische Geschichte“. Er erkannte als dringliches Thema den Religionsunterricht in den Schulen. Als die Landessynode ihm, dem Mann der Tat, nur zögerlich folgte, zog er sich zurück.

Als mit der Währungsreform vom 21. Juni 1948 und der Hinwendung zur Sozialen Marktwirtschaft wieder normale Verhältnisse bestanden, konnte man auch baulich an den Schulen etwas tun. In der Zeit des Schulrates Tönnis Portheine wurden für 7,5 Millionen DM neue Schulen erbaut und für 1,9 Millionen DM Aus- und Umbauten an bestehenden Schulen vorgenommen. Darüber hinaus wurden auch Dienstwohnungen wieder instand gesetzt. Als Schulrat hatte er nie den Vorgesetzten herausgekehrt; für ihn war es wichtig, auch im Hinblick auf die Lehrerfortbildung pädagogisch zu wirken.

Am 31.01. 1958, nach Erreichung der Altersgrenze von 65 Jahren, wurde der verdienstvolle Schulrat aus dem Schulaufsichtsdienst entlassen. Zu der Feierstunde in Nordhorn kam der Regierungsdirektor Professsor Pax aus Osnabrück und verabschiedete den „Vater der Schule im Grünen“. Für den Kreis Grafschaft Bentheim sprach der damalige Oberkreisdirektor Dr. Mawick und dankte für die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und dem Schulrat. Weitere Worte sprachen als Vertreter der Pädagogischen Hochschule Osnabrück Dozent Söthje, für den Allgemeinen Deutschen Lehrerverein Herr Konrektor Eberhard Liese, für den Katholischen Lehrerverband Herr Rektor Cassellius und für die Mittelschulen des Kreises Grafschaft Bentheim Rektor Kip aus Neuenhaus. Besonders erwähnenswert für die damalige ökumenische Situation sind die Worte des Herrn Cassellius. Er sagte: „Wir sind Ihnen dankbar, dass sie in konfessioneller Hinsicht die größte Toleranz uns gegenüber geübt haben und jederzeit unseren Standpunkt und unsere Anschauung respektierten. So bestand zwischen Ihnen und der kath. Lehrerschaft ein gutes Zusammenarbeiten zum Segen der Schule. Wir danken Ihnen für dieses gute Zusammenarbeit und Ihr Vertrauen.“

In schwerster Zeit hatte Tönnis Portheine seinen Dienst angetreten. Aus dem Nichts des Jahres 1945 hatte er in seiner ruhigen und pflichtbewussten Art eine Schullandschaft geschaffen, die ihresgleichen suchte. Wohlbestellt hinterließ er nach Jahren der mühevollen Aufbauarbeit sein Arbeitsfeld und trat in den Ruhestand. Am 11. April 1958 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Doch der Schulrat i. R. dachte nicht an ein Dasein ohne Arbeit. Jetzt konnte er sich noch eingehender mit dem Thema beschäftigen, das ihn zeitlebens begleitete: „Naturwissenschaft und christlicher Glaube.“ Schon während seiner Dienstzeit beschäftigte ihn das Thema. In Vorträgen und Arbeitsgemeinschaften versuchte er die damals noch unter dem Eindruck der pseudo-wissenschaftlichen, scheinbar schlüssigen atheistischen Schriften des Philosophen Häckel, von deren Unhaltbarkeit des Häckelschen Weltbildes zu überzeugen. Im Laufe der Jahre erschienen vier Hefte mit insgesamt 270 Seiten unter dem Titel „Arbeitshilfen für Evangelische Unterweisung in Schule und Haus.“ Bei der Vorbereitung für das fünfte Heft nahm der Tod dem unermüdlichen emeritierten Schulrat die Feder aus der Hand. Tönnis Portheine starb nach einem erfüllten Leben am Sonnabend, dem 12. Juni 1965.

Zum Schluss

Im Jahre 1944 entließ der Pädagoge und Lehrer Tönnis Portheine seine letzte von ihm unterrichtete Klasse aus der Nordhorner Mittelschule. Die heute noch lebenden Schülerinnen und Schüler dieses Jahrganges trafen sich zuletzt im Mai 2006 in Nordhorn. Sie erinnerten sich an einen liebevollen, gestrengen und gerechten Pädagogen. Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Diese Maxime zog sich wie ein roter Faden durch ihren Lehrstoff. Disziplin und Pflichtbewusstsein lehrte ein Pädagoge und Erzieher. Eine seiner Schülerinnen fasste es zusammen in Anlehnung an Worte Adalbert Stifters: „Unterricht ist viel leichter als Erziehung.“ Wenn 60 Jahre nach einer abgeschlossenen Schulzeit Frauen und Männer sich dankbar an einen Lehrer erinnern, dann kann man sagen, Unterricht und Erziehung als Arbeit jenes Lehrers hat Früchte getragen.

Nach jedem Treffen dieses Schuljahrgangs 1944 der Mittelschule Nordhorn lag auf dem Grabe des verehrten Lehrers ein Blumenstrauß mit den Worten „In dankbarem Gedenken“.

Gerhard Plasger
Literatur:
  • 350 Jahre Alte Piccardie, Das Bentheimer Land, Band 141, S. 106, ISBN-Nr. 3-922428-46-0
  • Nordhorn, Geschichte einer Grenzstadt, Heinrich Specht, 2. Auflage 1979, Heimatverein der Grafschaft Bentheim., Seite 350.
  • Das Bentheimer Land, Herausgegeben von Rektor H. Specht, XII, Bentheimer Heimatkalender 1937, S. 66, Portheine: Der Altendorfer Schulgarten. Verlag: Heimatverein der Grafschaft Bentheim e. V.
  • Das Bentheimer Land, Herausgegeben von Rektor H. Specht XIII. Bentheimer Heimatkalender 1938, Seite 46 Portheine: Die Erdbeere im Grafschafter Hausgarten. Verlag: Heimatverein der Grafschaft Bentheim e. V.
  • Regierungsdirektor Prof. Pax, Osnabrück, Verabschiedung Schulrat Portheine am 31.01.1958
  • Brief des Schulrates Schweer vom 21. März 1940 an den Konrektor Lange in Nordhorn. Der Brief ist im Besitz von Frau Lore Portheine geb. Lange.
  • Erinnerung des Sohnes Prof. Dr. med. Hermann Portheine, Münster. Nach seiner Erinnerung hatte sein Vater vor diesem Gespräch mit seinem Bekannten, dem Rechtsanwalt Arends aus Neuenhaus, gesprochen. Er hatte dem Vater wohl diesen Rat gegeben.
  • Brief des Nordhorner Bürgermeisters vom 5. März 1945 auf Anordnung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft. Die Zählung hatte am 07.03.1945 im gesamten Gebiet des “Großdeutschen Reiches“  stattzufinden. Gezählt werden mussten Ferkel, Jungschweine, Zuchteber, Zuchtsauen und andere Schweine, Hennen, Hähne, Zwerghennen und Zwerghähne.
  • Bentheimer Jahrbuch 1946, Heinrich Specht, Verlag: Ferdinand Schöningh Osnabrück und Paderborn, Seite 12.
  • Staatsarchiv Osnabrück Rep. 430, Dez. 400, Nr. 204.
  • Staatsarchiv Osnabrück Rep. 430, Dez. 400, Nr. 1017
  • Grafschafter Nachrichten v. 20.03.2004 und v. 20.05.2006
Quelle: Gerhard Plasger, Tönnis Portheine - der erste Schulrat nach dem Kriege; in: Bentheimer Jahrbuch 2007, Das Bentheimer Land- Band 180, Seiten 171 - 190
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